Grundig und das Wirtschaftswunder
Grundig und das Wirtschaftswunder: Das Unternehmen Grundig spielte eine maßgebliche Rolle im deutschen Wirtschaftswunder und trug zur wirtschaftlichen Erholung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg bei. Es entwickelte sich von einem Hersteller hochwertiger Radios zu einem weltweit renommierten Konzern für Unterhaltungselektronik.
Max Grundig kurz vor seinem Tod am 8. November 1989
Inhaltsverzichnis
Die Vita von Max Grundig in Gedenken und Respekt an eine Persönlichkeit
Geboren wurde Max Grundig am 7. Mai 1908 in Nürnberg, wo er nach dem frühen Tod seines Vaters Max Emil zusammen mit seiner Mutter und seinen drei Schwestern in einfachen Verhältnissen aufwuchs. Im Alter von 16 Jahren begann er sich für das neu in Mode gekommene Medium Radio zu interessieren. Nachdem er zunächst in der eigenen Wohnung tüftelte, machte er schließlich im Jahr 1930 sein Hobby zum Beruf und eröffnete mit einem Teilhaber ein Fachgeschäft für Rundfunkgeräte in Fürth.
Das Geschäft entwickelte sich gut. Grundig beschäftigte bald seine drei Schwestern, zahlte seinen Teilhaber aus und produzierte 1938 bereits 30.000 Kleintransformatoren. Der eigentliche Aufstieg von Max Grundig zu einem führenden Unternehmer der Unterhaltungselektronik begann nach dem Zweiten Weltkrieg. Am 15. Mai 1945 eröffnete Grundig mit Maschinen und Vorräten aus der Kriegsära eine Produktionsstätte für Universal-Transformatoren in der Jakobinerstraße 24 in Fürth, der Keimzelle seines späteren Weltkonzerns.
Ab 1952 war Max Grundig der größte europäische Hersteller von Rundfunkgeräten und der weltweit größte Produzent von Tonbandgeräten. Nach und nach zählten auch Fernsehgeräte und Diktiergeräte zum Portfolio. Einige Jahre später zählte das Unternehmen bereits über 38.000 Beschäftigte. In der zweiten Hälfte der 70er Jahre kam mit dem Videorekorder eine weitere Innovation auf den Markt für Unterhaltungselektronik.
Max Grundig verstarb am 8. Dezember 1989 in Baden-Baden. Die Marke Grundig hat weltweit bis heute überlebt, aber nur als Produktname.
Grundig schwarzweiss Fernseher
1. Grundig und das Wirtschaftswunder - Einführung
Max Grundig wurde am 7. Mai 1908 in Nürnberg-Gostenhof in der Denisstraße 3 geboren. Der Vater starb früh, sodass er und seine drei Schwestern in ärmlichen Verhältnissen aufwuchsen. Selbst erzählte er später über diese Zeit: „Ich habe von früh bis abends Hunger gehabt.“ Im April 1922 begann Max Grundig eine kaufmännische Lehre in der Installationsfirma Jean Hilpert und erarbeitete sich beim kinderlosen Ludwig Hilpert schnell eine Vertrauensposition. Am 29. Oktober 1923 begann die Geschichte des Rundfunks in Deutschland: Im Vox-Haus Berlin-Tiergarten wurde der regelmäßige Sendebetrieb aufgenommen. Der erste eingetragene Rundfunkteilnehmer zahlte - inflationsbedingt - 350 Milliarden Mark für seine Hörerlizenz.
Anfang 1924 gab es in Deutschland schon 1.580 Rundfunkteilnehmer. In Berlin fand im selben Jahr die erste Große Deutsche Funkausstellung statt. Max Grundig bastelte schon ab 1924 Radios und sogar einen Bildfunkempfänger. Nach Abschluss seiner Lehrzeit fuhr er im Auftrag von Ludwig Hilpert zur dritten Großen Deutschen Funkausstellung in Berlin (3. bis 12. September 1926), bei der auch der Berliner Funkturm seiner Bestimmung übergeben wurde. Zu jener Zeit war es durchaus keine Seltenheit, dass Installationsfirmen in den neuen Handel mit Radios einstiegen. Am 18. Dezember 1924 beschloss die Stadt Fürth den Bau des heute noch bestehenden Krankenhauses auf der vorderen Schwand (Grundsteinlegung: 29. Mai 1928). Weil die Stadt im Folgenden nur Aufträge an einheimische Firmen vergeben wollte, kaufte Hilpert 1927 den Fürther Installations- und Elektroladen C. Blödel in der Blumenstraße 2, Max Grundig wurde Filialleiter. Neben 60 Mark Monatsgehalt erhielt er drei Promille Umsatzprovision, was ihm das seinerzeit enorme Monatsgehalt von 300 bis 1.000 Mark einbrachte. Grundig führte in der Fürther Filiale umgehend den Radiohandel ein. Als im Oktober 1930 die Installationsarbeiten im Krankenhaus weitgehend beendet waren, verkaufte Hilpert jedoch die Fürther Filiale, ohne dies vorher mit Grundig zu besprechen. Aus diesen und anderen Gründen kam es zum Bruch, Grundig kündigte.
Wie der spätere Wirtschaftsminister und Bundeskanzler Ludwig Erhard war auch Max Grundig öfters im Cafe „Fürst“ in der Sternstraße 2 zu Gast, wo er vor allem abends zum Billardspielen ging. Am 3. November 1930 wickelte Grundig die Übergabe des Geschäftes in der Blumenstraße ab und ging - nach einem Pfannkuchen im „Duckla“ (Mühlstraße 3) - ins Cafe „Fürst“. Am Nebenhaus (Nr. 4) fiel sein Blick auf das Schild „Laden zu vermieten“. Der Laden hatte links und rechts Schaufenster, dazwischen befand sich die mit Jugendstilornamenten versehene Eingangstür, die heute im Rundfunkmuseum der Stadt Fürth zu sehen ist. Die Häuser wurden 1995 im Zuge des U-Bahn-Baues abgerissen. Der Laden gehörte Balthasar Reichel, der dort mit Hüten und Stöcken gehandelt hatte. Am 4. November warf sich Grundig in seinen besten Anzug und fragte an, ob er den Laden pachten könne. Um den Laden mieten zu können, musste der damals erst 22-jährige Grundig dem Vermieter eine schriftliche Zustimmung der Mutter vorlegen. Diese willigte nach anfänglichen Bedenken am 9. November 1930 ein.
Max Grundig verfügte lediglich über 3.000 Mark Eigenkapital, weitere 3.000 Mark musste er sich leihen. Außerdem nahm er zunächst seinen Freund Karl Wurzer mit ins Boot, einen Sohn reicher Eltern. Am 15. November 1930 eröffnete Grundig sein Geschäft, schräg gegenüber dem Weiß-, Woll- und Schnittwaren Spezialhaus Wilhelm Erhard, dem Geburtshaus von Ludwig Erhard. Die Geschäfte gingen gut, vor allem fielen immer häufiger Reparaturen an. Bereits am 21. Juni 1934 pachtete Grundig schräg gegenüber in der Schwabacher Straße 1 ein größeres Geschäft mit Obergeschoss, wo nun Büro, Buchhaltung, Inventarlager und die Reparaturwerkstatt ihren Platz bekamen. Seinen Teilhaber Karl Wurzer zahlte er aus. Da aufgrund der unterschiedlichen Stromarten in Fürth und Nürnberg - hier Gleichstrom, dort Wechselstrom - bei Umzügen öfters Transformatoren durchbrannten, installierte Grundig im ersten Stock Wickelmaschinen und stellte damit Spulen und Transformatoren her: der Schritt vom Handel zur eigenen Produktion. 1938 machte der junge Unternehmer mehr als eine Million Reichsmark Umsatz. Im Cafe „Fürst“ lernte Max Grundig auch seine zweite Ehefrau kennen - aus der kurzen ersten Ehe stammt die 1930 geborene Tochter Inge - und bezog mit ihr nach der Hochzeit am 3. Dezember 1938 eine Dreizimmerwohnung in der Moststraße 17.
Dort sollte er 14 Jahre bleiben, obwohl er zwischenzeitlich schon mehrfacher Millionär geworden war. Zu Kriegsbeginn wurde Grundig zunächst als „unabkömmlich“ (uk) eingestuft, musste das aber 1941 doch noch einrücken. Er versuchte sich dem Dienst durch die Soldat-Schwejk-Methode zu entziehen und erreichte mit viel Glück die Versetzung nach Nürnberg und die Genehmigung, dort sein Unternehmen weiterzuführen. Ende 1943 wurde Grundig wieder „uk gestellt“ und konnte sich voll seinem Betrieb widmen. Grundig verlegte die Produktion wegen der Gefahr von Luftangriffen in den Vorort Vach und nutzte die Tanzsäle der „Linde“ (Brückenstraße 11) und des „Doppelwirtes“ (Brückenstraße 12) sowie die Kegelbahn des „Roten Ochsen“ (Vacher Straße 470). Dort wurden zunächst täglich bis zu 200 defekte Transformatoren repariert. Bald standen 100 Wickelmaschinen in den beiden Gaststätten, an denen 150 Arbeitskräfte arbeiteten - zumeist ukrainische „Fremdarbeiterinnen“ (also Zwangsarbeiterinnen), die über AEG und Siemens vermittelt worden waren.
Neben den Transformatoren stellte Grundig Steuerungsgeräte für die V1- und V2-Raketen her, außerdem elektrische Zünder für Panzerabwehrwaffen, beides im Auftrag von Siemens und AEG. 1944 produzierte er 50.000 Kleintransformatoren. Nach eigenen Angaben hatte er Sonderrationen für die bei ihm beschäftigten Zwangsarbeiter organisiert und die ukrainischen Mädchen gut behandelt - Gegenteiliges ist zumindest nicht bekannt. Am 17. April 1945 rollten die Amerikaner in Vach ein, die Maschinen der Firma Radio-Vertrieb Fürth (RVF) wurden abgestellt. Das Vermögen des Jungunternehmers belief sich zu jener Zeit auf 17,9 Millionen Reichsmark. Grundig wohnte zunächst in der „Linde“, da seine Wohnung in der Moststraße von Amerikanern requiriert worden war. Am 18. Mai transportierte er mit zwei Mitarbeitern einige Wickelmaschinen und Apparate auf einem Leiterwagen von Vach in die Schwabacher Straße 1 und öffnete das Geschäft, das vor allem mit amerikanischer Kundschaft gut anlief. Den Reparaturen folgte die Produktion. Rohstoffe waren in Vach noch vorhanden. Zudem schuldete Siemens der Firma noch 6,5 Millionen und AEG 4,5 Millionen Reichsmark für gelieferte Waren, die nun in Rohstoffen abgegolten wurden. Im Juni 1945 konnte der RVF im Hinterhaus der Jakobinen-Straße 24 - einer ehemaligen Spielwarenfabrik - seine Produktion aufnehmen. Elf Männer und 31 Frauen bauten in den 400 Quadratmeter umfassenden Räumen Universaltransformatoren zum Stückpreis von 37 Reichsmark. Zum Jahresende 1946 waren bei Grundig 111 Arbeiter und Angestellte beschäftigt, der Umsatz belief sich auf 1,3 Millionen Reichsmark. Produziert wurde seit August 1946 auch der Heinzeimann als Bausatz (zunächst ohne Röhren), womit Beschränkungen bei der Produktion und beim Verkauf von Radios umgangen werden konnten.
Mit dem ersten Spatenstich am 3. März 1947 begann auf dem Gelände an der Kurgarten-Straße 37 der Bau mehrerer neuer Betriebsgebäude und bereits am 18. September 1947 konnte die Produktion aufgenommen werden - den Umzug hatte man weitgehend mit der Straßenbahn erledigt. Die Beschaffung des Baumaterials war seinerzeit keine einfache Sache. Tauschhandel war daher vor der Währungsreform keine Seltenheit. Grundig lieferte zum Beispiel 3.000 Radios für die französische Armee und erhielt dafür 30 Millionen Zigaretten und 5.000 Kisten Zigarren, damals ein sicheres Zahlungsmittel. Dafür tauschte er wiederum 30 Waggons Kohlen ein - zehn Waggons für die Stadtverwaltung und zehn für das Krankenhaus legalisierten zunächst einmal die Schieberei. Für die verbliebenen zehn Waggons bekam man zehn Waggons Zement, zwecks Legalisierung gingen wiederum fünf Waggons an den Bauhof Fürth.
Mit sichtlichem Stolz betrachten die beiden Arbeiterinnen um 1950 das Ergebnis ihrer Arbeit, den komfortablen Weltklang-Siebenkreiser 598
Mit der Ladung der restlichen fünf Waggons baute Grundig seine Produktionsgebäude. Angeblich erfuhr Grundig im Cafe „Fürst“ von Ludwig Erhard, dass die Währungsreform für den 20. Juni 1948 geplant sei und hielt seine Geräte bis zu diesem Datum zurück. Im Februar 1949 stellten die Arbeiterinnen und Arbeiter das 100.000. Radio her, Grundig war damit Marktführer. 800 Beschäftigte ermöglichten eine Monatsproduktion von 12.000 Rundfunkgeräten. 1955 wurde Grundig der größte Tonbandhersteller der Welt. Er beschäftigte 8.600 Arbeitskräfte und machte einen Umsatz von 150 Millionen Mark. 1965 war Grundig der größte deutsche Fernseherproduzent und ein Jahr später verließ das 16-millionste Gerät seit 1945 die Werke. 1970 bestanden die Grundig-Werke aus 21 Firmen, 19 Fabrikationsstätten (drei weitere waren im Bau), zwölf Niederlassungen und Vertriebsorganisation im Inland, 34 insgesamt in Europa, 30 in Asien, 57 in Afrika, 22 in Australien, sieben in den USA und 60 in Lateinamerika. 25.000 Beschäftigte erwirtschaften einen Umsatz von 1,14 Milliarden Mark.
Seit 1970 erschienen jedoch vermehrt Wolken am Konjunkturhimmel und zunehmend nicht nur billige, sondern mehr und mehr im Design, teilweise auch in den Funktionen und der Qualität verbesserte Geräte aus Japan auf dem Markt. Zudem zeigte der bisher sichere Instinkt des Unternehmers erste Schwächen, sachliche und vor allem personelle Fehlentscheidungen häuften sich. Obwohl der Umsatz weiter stieg, sanken die Gewinne. Die patriarchalische, autoritäre und mitunter ruppige Art von Max Grundig trieb zunehmend ihre Blüten. Manche Prototypen warf er vor versammelter Mannschaft mitunter im sechsten Stock aus dem Fenster - der entsprechende Aufschlagsbereich im Werkshof wurde deswegen abgesperrt. Gestandene Direktoren und Betriebsleiter gingen zunehmend mit weichen Knien zu Chefsitzungen. Dass sich unter solchen Umständen kein Nachfolgeteam für die Firmenleitung profilieren konnte oder wollte, ist leicht verständlich. 1970 errichtete der Firmeninhaber die Max-Grundig-Stiftung, die nun als Alleininhaberin an seine Stelle trat. Als Vorstand behielt er aber weiterhin das entscheidende Mitspracherecht. Die Stiftung sollte den Fortbestand aller Grundig-Unternehmen auf Dauer sichern und zugleich die Interessen der Familie Grundig wahren. Am 1. April 1972 wurde die Grundig-Werke GmbH in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Aktien befanden sich zunächst überwiegend im Eigentum der Max-Grundig-Stiftung. gentum der Max-Grundig-Stiftung. 1979 erreichte die Grundig AG mit 38.460 Beschäftigen den personellen Höchststand.
Der Gesamtumsatz lag bei knapp drei Milliarden Mark, aber Umsatz und Gewinn liefen weiter auseinander. Im April 1984 übergab Max Grundig die unternehmerische Leitung an den PhilipsKonzern, der zu diesem Zeitpunkt 31,6 Prozent der Aktien hielt - unter anderem gegen eine über 20 Jahre garantierte Jahresdividende an Grundig in Höhe von 50 Millionen Mark.
Die Grundig Revue - Prospekt in Übergrösse
Ein Jahr zuvor, zu seinem 75. Geburtstag am 7. Mai 1983, hatte Max Grundig resümiert: „Bis heute wurden in den Grundig-Werken 27 Millionen Rundfunkempfänger, elf Millionen Schwarz - Weiß Empfänger, zwölf Millionen Farbfernseher, 16 Millionen Tonbandgeräte, zwei Millionen Videorecorder hergestellt. 40 Milliarden Umsatz wurden geschaffen und 11 Milliarden Mark Löhne, 4,4 Milliarden Mark Sozialversicherung bezahlt und 1,7 Milliarden Mark investiert.“ Max Grundig selbst fand 1981 nochmals sein persönliches Glück mit seiner dritten Ehefrau Chantal Grundig. Aus dieser Ehe stammt seine zweite Tochter Maria - die beiden Kinder von Max Grundig wurden damit nicht weniger als 50 Jahre nacheinander geboren.
Am 8. Dezember 1989 starb Max Grundig in Baden-Baden. Trotz des Rekord-Umsatzes von 4,55 Milliarden Mark und einem Jahresüberschuss von 190 Millionen Mark im Jahre 1991 - verursacht durch den Nachholbedarf in den neuen Bundesländern - kam es von 1992 bis 1996 zum geschäftlichen Absturz: Bei einem Umsatzrückgang von 3,7 auf 3,3 Milliarden Mark machte Grundig insgesamt fast zwei Milliarden Mark Verlust, davon 1,2 Milliarden alleine 1995 und 1996, die Beschäftigtenzahlen halbierten sich beinahe: von 16.250 auf 8.580. Philips zog sich daraufhin 1998 zurück, ein bayerisches Konsortium von Banken unter Führung des Antennenherstellers Kathrein-Werke KG übernahm die Grundig AG. Ende Juni 2000 wurde die Unternehmenszentrale von Fürth nach Nürnberg-Langwasser verlegt. Nach weiteren Verlusten verlängerten die Banken im Herbst 2002 die Kreditlinien nicht mehr, Grundig meldete im April 2003 Insolvenz an. Es folgte eine weitere Ausgliederung von Geschäftsbereichen.
Die türkische Koc-Holding übernahm am 18. Dezember 2007 die schon 2004 ausgegliederte Unterhaltungselektronik (Grundig Home Intermedia). In Istanbul bestehen zwei Grundig-Fertigungslinien für LCD-Fernseher, entwickelt und betreut von Ingenieuren in Nürnberg-Langwasser (ehemalige Grundig-Stadt). Auf dem ehemaligen Standort der Firmenzentrale in Fürth an der Kurgartenstraße entwickelt sich heute die Uferstadt. Neben dem Zentralinstitut für Neue Materialien und Prozesstechnik der Friedrich-Alexander-Universität und einer Vielzahl von zukunftsträchtigen Firmen ist an diesem Ort auch das Rundfunkmuseum der Stadt Fürth angesiedelt - hier lebt das große Unternehmen mit seiner beeindruckenden Geschichte weiter. Die Fotos und Dokumente auf den folgenden Seiten wurden von der Max-Grundig-Stiftung und dem Rundfunkmuseum Fürth zur Verfügung gestellt, sofern sie nicht aus der Sammlung von Herr Walter Mayer.
2. Grundig und das Wirtschaftswunder - Der Anfang
Am 15. November 1930 eröffnete Max Grundig zusammen mit Teilhaber Karl Wurzer und 3.000 Mark Eigenkapital sein Geschäft in der Sternstraße (heute Ludwig-Erhard-Straße). Daneben war das Cafe „Fürst“, wo er Ludwig Erhard kennenlernte. Die Lumophon-Radiowerke kaufte er elf Jahre später.
Inserierte Max Grundig zur ersten Fürther Funkausstellung im Oktober 1930 noch für die Filiale C. Bloedel GmbH des Nürnberger Installationsgeschäftes Hilpert, so war er bei der zweiten Ausstellung vom 3. bis 14. Oktober 1931 bereits der Hauptaussteller und hatte den besten Werbeplatz auf Seite 2 des Ausstellungskatalogs erhalten.
3. Grundig und das Wirtschaftswunder - Die Nachkriegszeit
Im Dezember 1945 kam Max Grundig beim Mittagessen die Idee des Heinzelmann-Baukastens, mit dem er den Grundstein für das zeitweise größte europäische Unternehmen der Unterhaltungselektronik legte. Im Bild ein im Rundfunkmuseum Fürth ausgestelltes Exemplar des schlichten Einkreis-Radios.
Der Heinzeimann war ein Bausatz und unterlag somit weniger strengen Regelungen bei der Produktionsgenehmigung, vor allem war er nicht bezugsscheinpflichtig. Am 10. August 1946 erhielt Grundig die Genehmigung zur Produktion. Seit dem 1. August 1946 hieß Grundigs Betrieb RVF Elektrotechnische Fabrik.
Das Schaltbild des Heinzeimanns in der Bauanleitung. Das Gerät wurde mit zwei Röhren betrieben, die anderweitig besorgt werden mussten, beispielweise aus den noch überall kursierenden Altbeständen der Wehrmacht. Das Schaltbild zeigt unten das Netzteil, links den Hochfrequenzkreis (Empfänger) und rechts den Niederfrequenzverstärker.
Ab Juni 1945 produzierte Grundig in der Fürther Oststadt im Hinterhaus der Jakobinenstraße 24 mit elf Männern und 31 Frauen. Neben elektrischen Bauteilen (vor allem Transformatoren) und dem Bausatz Heinzeimann hatte Grundig die beiden hier beschriebenen Messinstrumente in der Fertigung, die schon im Oktober 1945 fertig entwickelt waren und kurze Zeit später in Produktion gingen.
Rechnung über einen Heinzelmann-Baukasten vom 12. September 1947. Ein Jahr zuvor im November hatte Grundig anlässlich einer „Sondererhebung über industrielle Kapazitäten in der US-Zone“ geschrieben: „Spezialität unseres Hauses ist derzeit der Rundfunkbaukasten Heinzelmann, der neben den hergestellten Erzeugnissen wie Trafos, Spulen, Lautsprecher, vom Gehäuse bis zur letzten Schraube, alles für den Selbstbau eines Rundfunkgerätes enthält.“
4. Grundig und das Wirtschaftswunder - 1947 bis 1948 Ein Kurbad für Grundig
Nach einem hoffnungsvollen Beginn im Jahre 1910 musste die König-Ludwig-Quelle, ein Kurbad mit staatlich anerkannter Heilquelle, im Ersten Weltkrieg schließen. Ein Neubeginn 1920 gelang nicht. Ein Jahr später erwarb eine Spiegelglasfabrik das Gelände. In der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft „kaufte“ die Stadt Fürth den Kurpark 1935 von den jüdischen Fabrikbesitzern weit unter Wert. Nach Abwicklung eines Wiedergutmachungsverfahrens veräußerte die Stadt den ehemaligen Kurpark - inklusive zehn Prozent des Heilwassers - Anfang 1947 an Max Grundig.
Auf dem Gelände des ehemaligen Kurbades gab es vier Quellen. Hier ist die König-Ludwig-Quelle I (Bohrung 357 Meter) zu sehen, die erst vor wenigen Jahren abgedichtet und aufgelassen wurde. Die König-Ludwig-Quelle II und die Mineralwasser-Quelle „Dosana“ wurden 1975 mit der Halle I überbaut (heute Merkatorium der Uferstadt), die verfüllte Bavaria-Quelle liegt mittlerweile unter einem Parkplatz zwischen Merkatorium und Rundfunkmuseum.
Vor dem früheren Eingangstor zum Kurbad ließ sich vor dem Ersten Weltkrieg das wohlhabende Bürgertum standesbewusst ablichten. Anfang 1947 zeugte es von Jahrzehnten des Verfalls und von Kriegsschäden.
Die Wiese der ehemaligen Kuranlage. Hier entstanden von 1950 bis 1975 der U-Bau, die Halle A, die Warenannahme, Bau I, Halle B und das Lacklager. Im Vordergrund rechts befand sich der Musikpavillon im Kurpark. Die Erlen rechts im Hintergrund an der ehemaligen Uferpromenade stehen noch und können - inzwischen wieder freigestellt - als Orientierung dienen. Die Aufnahme wurde wohl vom Pavillon auf der Aussichtsterrasse des oberen Kurparks geschossen, die heute noch existiert.
Die Baustelle Richtung Osten, im Hintergrund das alte Badgebäude, das Grundig erst später erwarb. Im Vordergrund sieht man die Baugruben für die ersten drei Steinbaracken an der Kurgartenstraße, rechts wieder das ehemalige Eingangstor zum Kurbad.
Max Grundig im Frühjahr 1947 vor den Fundamenten für die Produktionsbaracken.
Der Firmenchef mit seiner Tochter Inge aus erster Ehe auf der Baustelle an der Kurgartenstraße. Zu jener Zeit fast immer dabei: Grundigs Dackel Hexi.
Im Mai 1947 hoben Arbeiter die Baugrube für das Heilwasserbecken aus.
Im Juni 1947 war das Becken fertig. Max Grundig testete zum Zeitpunkt der Aufnahme offensichtlich die Temperatur. Er und seine engsten Mitarbeiter benutzten das Becken in den Anfangsjahren häufig. Später kam ein gesonderter Badepavilion für den Chef hinzu, das alte Becken konnten künftig alle Betriebsangehörigen nutzen.
Zukünftige Direktoren und Betriebsleiter im Arbeitseinsatz, vorn rechts Robert Behringer, der spätere Leiter der Stanzerei, dahinter der nachmalige Generaldirektor Karl Richter. Hinter dem Freiwilligentrupp die erste Werksbaracke.
Bauführer Mathes leitete sowohl die gewerblichen als auch die „freiwilligen“ Hilfskräfte, die aus dem RVF abkommandiert worden waren.
Bauführer Meier verlangte von Grundig eine Flasche Schnaps pro laufendem Meter Schornstein und bekam diese auch ...
Am 17. September 1947 zogen 280 Mitarbeiter mit der Straßenbahn von der Jakobinenstraße 24 zur Kurgartenstraße 37. Das Bild entstand bei Aufnahme der Produktion am 18. September 1947.
Ein weiteres Foto vom ersten Produktionstag in der Kurgartenstraße: Hier werden gerade Teile für den Heinzeimann zusammengebaut, rechts ein Holzgehäuse. 1947 stellte der Betrieb mehr als 12.000 Bausätze her. In den ersten vier Monaten 1948 waren es über 4.000, Ende des Jahres 39.256. Hinzu kamen 2.114 Mess- und Prüfgeräte sowie 340 Trafos, deren Einzelverkauf in diesem Jahr auslief.
Am 15. Oktober 1947 bekam der Firmenchef erstmalig ein repräsentatives Büro, links ist wieder Dackel Hexi zu sehen. Grundigs Büro in der Jakobinenstraße glich eher einem Bretterverschlag, wie Oberbürgermeister Bornkessel mit leichtem Schaudern vermerkte, als er schrieb: „In einem [...] Hinterhaus in der Jakobinenstraße hauste Max Grundig mit seinen Getreuen.“ - Das gehörte Ende 1947 für immer der Vergangenheit an.
Auf 5.500 Quadratmetern Arbeitsfläche waren Ende 1948 rund 650 Beschäftigte tätig. Schon vor der Währungsreform am 20. Juni 1948 wurde ein „Drei-Wellenbereich-Vierkreis-Super“ namens Weltklang entwickelt und - nachdem Philips Valvo-Elektroröhren lieferte - ab Februar 1948 auch gebaut. Der Weltklang hatte einen „Vier-Watt-Orchesterlautsprecher“, den Arbeiterinnen unter einem damals wie heute (wieder) zeitgemäßem Motto fertigten.
Die Metallbearbeitung an der Drehbank war wohl in erster Linie der Werkzeugfertigung Vorbehalten.
Das Foto um 1948 zeigt vermutlich die Herstellung von Werkzeugformen für die Tiefzugpresse.
Die Tiefzugpresse zur Herstellung von Lautsprecherkörben war damals die wohl größte Fertigungsmaschine bei Grundig. Sie erlangte „Berühmtheit“, als sich 1952 Landtagspräsident Dr. Alois Hundhammer bei einer Werksbesichtigung darüber mokierte, dass an der großen Maschine eine zierliche junge Frau arbeitete - die Arbeiterin aus Fürth-Stadelhof stellte jedoch mit deutlichen Worten ihr liebevolles Verhältnis zur Maschine klar („Damit Sie Bescheid wissen . . .").
Die Metallverarbeitung für Werkzeug- und Formenbau stand am Anfang der meisten Produktionslinien, weswegen Grundig auch dem Dachverband Gesamtmetall und der IG Metall zugeordnet wurde.
Produktion bei guter Laune: Die Menschen saßen noch eng beieinander, was die Kommunikation förderte. Das Einsetzen der Lautsprechermembrane war eine verhältnismäßig einfache Arbeit, die aber wegen des empfindlichen Materials viel Feingefühl erforderte. Aus diesemGrund setzte das Unternehmen hier überwiegend weibliche Arbeitskräfte ein.
Im September 1947 brachte ein Monteur die letzten Buchstaben des Firmennamens auf dem ehemaligen Eingangstor des Kurbades an.
Am 7. Juli 1948 benannte Grundig die RVF Elektrotechnische Fabrik in Grundig Radio-Werk GmbH um. Schon am 1. Dezember kam es zu einer weiteren geringfügigen, aber vielsagenden Änderung: aus dem Werk wurden Werke. Im Februar verließ das 100.000. Radio die Kurgartenstraße, 8.000 Beschäftigte produzierten in 25 Werkshallen und Verwaltungsgebäuden und der Marktanteil stieg auf 20 Prozent - Grundig war nun die Nummer Eins unter allen deutschen Rundfunkherstellern. Im Bild einer der damals fünf firmeneigenen Lastzüge.
Mit ein paar Wickelmaschinen in der Schwabacher Straße hatte es angefangen, aber auch in der Kurgartenstraße waren diese Maschinen von großer Wichtigkeit - sie werden uns auf späteren Fotos noch häufiger begegnen.
Die Elektronik hielt 1949 noch einiges aus. Hier werden Kondensatoren mit Metallgehäuse in das ebenfalls aus Metall gearbeitete Chassis eingepresst - bei heutigen Leiterplatten und gedruckten Schaltungen undenkbar. Unter Chassis versteht man heute das Trägersystem der Leiterplatten, letztere wurden aber damals noch nicht verwendet.
Am 15. November 1948 begann die Errichtung des ersten Verwaltungs- und Direktionsgebäudes, in dem sich heute das Rundfunkmuseum befindet. Auf dem Gelände in der Kurgartenstraße baute Grundig im Eiltempo weiter, neue Fertigungsbaracken und ein Laborgebäude entstanden. Nach der Währungsreform und nach Aufhebung der Gerätebewirtschaftung stiegen die Produktionszahlen rasant.
Das anfängliche Markenzeichen des Erfolgs verewigte man im Treppenhaus des Verwaltungsbaus als Glasbild. Der Heinzelmann-Bausatz wurde zunächst ohne Röhren verkauft. Grundig unterlief so die Beschränkungen der Alliierten - ein Radio ohne Röhren war schließlich kein Radio. Von September 1949 bis Januar 1950 bauten die Grundig-Werke den weiterentwickelten Heinzelmann 126 W, dann löste die Weltklang-Serie den Heinzelmann endgültig ab. Irgendwann verschwand auch dieses Glasbild.
Beim Blick vom Turm des Verwaltungsgebäudes in die Dr.-Mack-Straße Richtung Südwest kann man links im Hintergrund den Kirchturm von St. Paul in der Südstadt erkennen. Schon 1950 und 1953 verstellten Halle A und Bau F diese Perspektive.
Blick vom Turm des Verwaltungsgebäudes nach Osten, im Vordergrund der obere Kurgarten mit dem ehemaligen Springbrunnen, dahinter das Kurbadgebäude von 1914.
5. Grundig und das Wirtschaftswunder - 1949 bis 1951 Start zum Wirtschaftswunder
Modell des Firmengeländes des größten westdeutschen Radioherstellers im Jahre 1949 (vgl. 30 Jahre später Seite 72/73). Die drei Produktionsbaracken im Vordergrund sowie die niedrigen quer dahinter liegenden Baracken mussten 1964 und 1961 Neubauten weichen. Der Verwaltungsbau (links mit Turm) steht noch und beherbergt heute das Rundfunkmuseum, dahinter der sogenannte U-Bau. Das Wohnhaus vor dem Verwaltungsgebäude ließ Grundig für seine Mutter bauen, er selbst wohnte noch bis 1952 in einer Dreizimmerwohnung in der Moststraße 17.
Werkzeuge und Formen wurden in Einzelarbeit hergestellt, ermöglichten dann aber die zeitsparende Serienproduktion.
Lautsprecherfertigung: Vom links auf dem Tisch liegen die Membranen (dunkel), rechts die gestapelten Lautsprecherkörbe. Die aufeinander gelegten Paare sind schon mit Spule und Magnet versehen. Entsprechend sind die Arbeitsgänge am Tisch: Anschrauben des Permanentmagneten und der Schwingspule sowie Einfügen der Membran.
Nachdem der große Weltklang-Lautsprecher an der Frontplatte befestigt ist, werden die elektrischen Anschlüsse per Hand angelötet; man beachte den für heutige Verhältnisse riesigen Lötkolben!
Arbeit an den Wickelmaschinen. Die Geräte waren 1951 schon etwas ausgefeilter als noch zwei Jahre zuvor. Die hergestellten Spulen sind wichtige Bauteile für Lautsprecher, Transformatoren und Hochfrequenzkreise (Rundfunkempfang).
Arbeiten an der Frontplatte, hinter welcher unter anderem der Lautsprecher und die Bedienelemente (Potentiometer zur Lautstärkeregelung, Drehkondensator zur Senderabstimmung) befestigt werden.
Die abschließende Qualitätskontrolle blieb Ingenieuren und Technikern Vorbehalten. Zwischen diesem Weltklang - vermutlich ein Siebenkreiser, der Weltklang 598 - mit seinem aufwendigen technischen Aufbau und dem Heinzeimann lagen bereits Welten.
Arbeitvertrag von 1951: Das Anfangsgehalt für den Akademiker betrug 352 Mark, bei einer Wochenarbeitszeit von 48 Stunden. Walter Mayer studierte nach Kriegsdienst (Funkmesstrupp) und Notabitur in Frankfurt am Main Physik und bewarb sich nach dem Diplom bei verschiedenen Firmen. Grundig, der im Bewerbungsschreiben „Besonderes Interesse: Fernsehtechnik“ unterstrich, antwortete als Erster. Am 1. März 1951 nahm der Physiker seine Arbeit auf - er sollte 40 Jahre bei Grundig bleiben.
Am 16. Mai 1951 kaufte Grundig die Lumophon-Werke Nürnberg für 1,7 Millionen Mark. Der Betrieb in der Schlossstraße wurde Grundig-Werk 2, jener in der Goldbachstraße Werk 3 und die Fabrik zur Holzbearbeitung in Georgensgmünd Werk 4. Letzteres war besonders für die inzwischen angelaufene Produktion von Musikschränken von Bedeutung.
Grundig-Werbung Ende 1949. Im Juni 1949 stellte Grundig seine erste Musiktruhe (Preis: 988 Mark), das erste UKW-Vorsatzgerät und einen Heinzeimann mit Batteriebetrieb vor. Im Dezember 1949 kam das erste deutsche Kofferradio auf dem Markt, das Kunststoffgehäuse stellte die werkseigene Spritzerei her. Grundig bot inzwischen sieben verschiedene Rundfunkgeräte und Musikschränke an. Sie wurden unter dem Namen „Kleeblattserie“ bekannt - das Kleeblatt war dem Fürther Stadtwappen entliehen.
6. Grundig und das Wirtschaftswunder - 1951 bis 1955 Sprung zum Weltkonzern
Im Februar 1949 verließ das 100.000. Radio die Grundig-Werke. Am 12. Mai 1952 feierte Grundig mit viel politischer Prominenz in der Halle B den Verkauf seines millionsten Rundfunkempfängers. In diesem Jahr überschritt die Firma die Umsatzgrenze von 100 Millionen Mark und beschäftigte 6.300 Mitarbeiter.
1950 kaufte Grundig das Gelände der Tennisfeunde Grün-Weiß zur Erweiterung des Stammwerkes I. Innerhalb weniger Monate baute der werkseigene Bautrupp mit 130 Arbeitern eine nach damaligen Begriffen riesige Halle von 80 Metern Länge, 30 Metern Breite und einer Giebelhöhe von 14,70 Metern. Die Halle A, hier vor dem Verwaltungsgebäude zu sehen, wurde 2003 abgerissen.
An der Dr.-Mack-Straße entstand das erste Fabrikhochhaus in Fürth, der achtstöckige Bau E. Am 16. September 1954 konnte Richtfest gefeiert werden. Grundig beschäftigte zu diesem Zeitpunkt etwa 8.400 Mitarbeiter und konnte einen Jahresumsatz von 128 Millionen Mark vorweisen. Seit 1945 hatte das Unternehmen fast 530.000 Geräte hergestellt.
Kurze Zeit später gesellte sich der Bau F im Vordergrund hinzu. Zwischen Bau F und Bau E stand die ältere Halle B, deren vorderen Teil Grundig 1967 zugunsten einer Verbindung von Bau E und F abreißen ließ - seitdem ist die Front an der Dr.-Mack-Straße geschlossen.
Grundig hatte schon 1949 einen UKW-Versuchssender einrichten lassen. Im April 1951 kam ein eigener Fernsehsender dazu, damit sich die Grundig-Entwickler nicht samt Geräten in Hamburg zum Testen einmieten mussten. In Hamburg hatte der damalige NWDR am 25. September 1950 die ersten Fernsehversuchssendungen nach dem Krieg aufgenommen. Im Bild eine provisorische Filmabtastung mit Fernsehübertagung über den Werksversuchssender, 1951.
Eine frühe Fernsehversuchsanlage von Grundig mit ihrem Konstrukteur. Ein in der Mitte angebrachter Dia-Abtaster erzeugte von den stehenden Bildern elektronische Abbilder zur Wiedergabe auf dem Bildschirm.
Der erste süddeutsche Fernsehsender stand im Turm des Verwaltungsgebäudes in Fürth - hier schon ein verbessertes und stärkeres Nachfolgemodell im Jahre 1952, rechts der Konstrukteur Walter Mayer. Der Sender wurde der Presse erstmalig am 28. Juni 1951 mit stehenden Bildern vorgeführt. Am 27. September 1951 inszenierte Grundig zur Leistungs- und Gewerbeschau die „Fernseh-Uraufführung in Fürth“, dieses Mal mit einem richtigen Film, der bis 10. Oktober täglich mehrmals ausgestrahlt wurde.
Die erste deutsche Vidicon-Kamera im Grundig-Labor, das Grundig „Fernauge“, entwickelt im Jahre 1953. Man beachte das handliche Format dieser Videokamera. Das Vidicon - wie das Ikonoskop ein Bildsensor - war erst wenige Jahre zuvor in den USA erfunden worden.
Das „Fernauge“ bei einer Vorführung auf der Internationalen Funkausstellung in Düsseldorf. Das Gerät wurde im Auftrag der Deutschen Bundespost entwickelt.
Rechts noch einmal die Fernsehversuchsanlage, die später in einem Werbewagen installiert wurde. Das unscheinbare Gerät links war bis 1953 eines des wichtigsten Utensilien im Grundig-Labor: ein Ikonoskop aus der Vorkriegszeit, das 1951 gebraucht gekauft worden war. Das 1923 erfundene Ikonoskop ermöglichte es erstmalig, ohne mechanische Hilfsmittel wie einer Lochscheibe (Nipkow-Scheibe), ein elektronisches Abbild realer Ansichten zu erzeugen.
Die ersten 94 Fernsehgeräte wurden 1951 auf Halde produziert - Stückpreis 1.800 Mark, das Jahresgehalt eines Facharbeiters. Noch 1953 brachte Grundig den ersten Empfänger unter 1.000 Mark auf den Markt. Schon ein Jahr später produzierte Grundig 19.677 Fernseher. Das Bild zeigt die Fernseherproduktion im neu errichteten Fabrikhochhaus (Bau E) im Jahre 1955.
Letzte Arbeiten an den nun fast vollständig bestückten Chassis für Fernsehempfänger, weiterhin im bewährten Rollbügel. 1955 kam das „Volksfernsehgerät 30“ für 698 Mark auf den Markt, das immerhin schon mit einer 43 Zentimeter großen Bildröhre ausgestattet war. Grundig produzierte in diesem Jahr 35.520 Fernseher.
Endmontage und Messplatz für Fernseher im Bau E.
Jede Störung sollte ausgeschlossen werden, deswegen wurden Fernsehgeräte zur Abstimmung und Prüfung in einen Faradayschen Käfig verbracht, der elektrische Felder oder elektromagnetische Wellen abschirmte.
Neben Unterhaltungselektronik in Großserie produzierte Grundig nach wie vor Messgeräte in kleinen Stückzahlen. Im Vordergrund sind Oszillografen zu sehen.
Grundig betrieb um 1955 die größte Polystyrolspritzerei Deutschlands - Kunststoff war damals auf dem Vormarsch. Schon 1949 war das Gehäuse des ersten deutschen Kofferradios (Grundig Boy) vollständig aus Kunststoff, ebenso wie das des Heinzeimanns 126 W. Der damalige Zeitgeschmack bevorzugte aber noch die Holzfurniere.
Im Bild eine kleinere Spritzmaschine, für 1955 schon sehr modern mit integrierter Beschickung des Kunststoffgranulats.
In der Spulen- und Transformatorenwickelei: Die Fotografie zeigt, wie die Spulen für eine Ferritkernantenne auf einem Polystyrolträger zunächst verklebt und dann aufwickelt wurden. Diese Arbeit erforderte viel Feingefühl.
In der Werkzeugmacherei im U-Bau wurde nach wie vor handwerklich gearbeitet. Flier entstanden auch die Formen für die Stanzerei.
In der Stanzerei arbeiteten um 1955 fast ausschließlich Frauen. Die Automatisierung hielt sich in diesem Bereich in Grenzen, die Arbeiterinnen legten die Rohlinge per Hand ein.
Bei der Lautsprecherfertigung hatte sich von 1949 bis 1955 schon einiges in Richtung Automatisierungverändert.
Auch die Chassis in den Rollbügeln wurden 1955 schon per Band weiterbefördert, hier im Bau E.
Besonders deutlich treten die Unterschiede gegenüber der Produktionsorganisation wenige Jahre zuvor in der großen Halle A zutage. Dieses Foto wurde von der Beobachtungskanzel des Betriebsleiters aus aufgenommen.
Tonbandfertigung: 1955 war Grundig der größte Tonbandhersteller der Welt und produzierte in Deutschland 92 Prozent der Tonbandgeräte. Begonnen hatte es 1951 mit dem Kauf der Lumophon-Werke und dem - zunächst nur in Musikschränken eingebauten - Tonbandgerät Reporter 300. Im Mai 1955 erschien der TK 5, von dem bis 1958 mehr als 200.000 Stück verkauft wurden.
Mit der Stenorette A brachte Grundig sein erstes Diktiergerät auf den Markt, das wegen der grünen Farbe des Kunststoffgehäuses auch „Laubfrosch“ genannt wurde. Unter dem geschützten Markennamen Stenorette produziert Grundig bis heute analoge Diktiergeräte - seit der Ausgliederung 2001 als Grundig Business Systems GmbH (GBS).
Verdrahtung und Verlötung der elektronischen Bauteile (vermutlich) eines Fernsehers auf der Unterseite des Chassis.
Die fertig bestückten Chassis der Tonbandgeräte (vermutlich aus der Baureihe TK 5) werden justiert und verschiedenen Funktionstests unterzogen.
Hier wird die Spurlage zentriert und mittels eines Oszillografen kontrolliert. Vertiefte technische Kenntnisse waren dafür nicht erforderlich, der Abgleich geschah über die Interpretation von Mustern.
Justierung der Spurlage bei der Stenorette. Die für die Überprüfung notwendigen Messoszillografen waren ebenfalls eine Entwicklung von Grundig.
Um die Stenorette zu überprüfen, musste eine Arbeiterin Spannungen und Widerstände an definierten Punkten messen. Solche Tests konnten ohne Weiteres von angelernten Kräften übernommen werden.
Mit dem Kauf der Lumophon-Werke in Nürnberg erwarb Grundig auch das dazugehörige Holzverarbeitungswerk in Georgensgmünd, das dann zum Werk 4 wurde.
Erster Zuschnitt des aus Sägewerken angelieferten Rohholzes.
Reine Massivholzgehäuse waren genauso wenig gebräuchlich wie heute, man arbeitete mit Furnieren. Hier ist eine Furnierpresse zu sehen.
Die dünnen Furniere mussten mit besonders feinen Sägen zurechtgeschnitten werden.
Fertigungstoleranzen der Gehäuse ließen sich zumindest auf der Rückseite relativ einfach mit Schleifmaschinen begradigen. Ob diese Methode allerdings heutigen Arbeitsschutzbestimmungen gerecht würde, ist zu bezweifeln.
Eine weitere Furnierpresse verbindet die Furniere mit dem Holzträger.
Auch in Fürth stellte Grundig Holzgehäuse mit den aus Georgensgmünd vorgearbeiteten Teilen her. Hier kann man die 1955 noch stark gefragten Musikschränke im Fabrikhochhaus Bau E an der Dr.-Mack-Straße erkennen.
Die lackierten Gehäuse kommen in die Trockenmaschinen, der Werksmeister erklärt den Arbeiterinnen mit sichtlicher Genugtuung, wo es lang geht ...
Der letzte Schliff, die letzte Politur ...
Anschließend wurden die Holzgehäuse mit Zierleisten verschönert.
Werksvertretungen von Grundig gab es 1955 in jeder größeren deutschen Stadt wie hier in Köln.
Deutlich repräsentativer als in Köln logierte die Grundig-Werksvertretung in Hannover.
Grundig war 1955 weltweit präsent, so im erst seit kurzem unabhängigen und von Nehru regierten Indien, ...
... auch in Ägypten, das seit wenigen Jahren Republik war und von Nasser regiert wurde, sowie ...
...in Afrika, hier in Leopoldville (heute Kinshasa) in Belgisch-Kongo (heute Demokratische Republik Kongo). Das gezeigte und für die Betrachter sicherlich unerschwingliche Gerät war der Musikschrank 8040 W. Er wurde von August 1953 bis Juli 1954 gebaut und hauptsächlich in den USA verkauft.
Angeregt durch die schwierige Situation auf dem Wohnungsmarkt gründete Grundig eine eigene Wohnungsbau GmbH, die 1952 nahe dem Werk 1 in der Fürther Benditstraße dieses Haus mit 30 Werkswohnungen errichten ließ.
Party in einer Werkswohnung des oben abgebildeten Hauses um 1958. Die flotten Töne lieferte der Musikschrank 7080 W/3 D rechts, der wegen seiner schrägen Füßchen besser unter dem Namen „Schräger Max“ bekannt war. 1958 baute Grundig 124.000 Musikschränke und weitere 580.000 Radiogeräte.
7. Grundig und das Wirtschaftswunder - 1970 bis 1979 Im Zenit
Fürth Kurgartenstraße Werk 1
Der gewaltige Verwaltungsbau beherrscht dieses Bild von 1975. Das Gebäude wurde im März 1960 bezogen und bereits 1967 erweitert, wobei die Eingangspforte des alten Kurbades verschwand. 1970 durchbrach Grundig mit 1,14 Milliarden Mark Umsatz eine neue Schallgrenze, aber es tauchten schon dunkle Wolken am Horizont auf: Der kräftige Zuwachs beim Umsatz ging nicht mehr mit entsprechenden Produktivitäts- und Gewinnsteigerungen einher.
Luftaufnahme von Werk 1 an der Kurgartenstraße, der Zentrale des Weltkonzems von 1949 bis 2000. In dem langgestreckten Bau etwa auf der horizontalen Mittellinie des Bildes war die Verwaltung der Konzernleitung, dahinter von links (teilweise im Schatten) die Halle A, das alte Direktionsgebäude, der U-Bau und rechtwinklig abschließend das ehemalige Kurbadgebäude.
Letzteres war inzwischen in das Werk integriert und beherbergte nach dem Umbau unter anderem die Kantine. Links oben leicht diagonal dazu die Produktionsgebäude an der Dr.-Mack-Straße, unter anderem Bau E und F.
Das alte Direktions- und Verwaltungsgebäude steht sowohl real wie auch sinnbildlich im Schatten des neuen und ist eingerahmt von Fertigungshallen: im Hintergrund Bau F und D - letzterer beherbergt heute das Technikum, dem Fürth seinen Titel Wissenschaftsstadt verdankt.
Ein Blick über Teile von Werk 1: vorn links das Wellblechdach von Halle A, rechts eine schon 1975 abgerissene Baracke und daneben die Warenannahme, die ebenso wie Halle A und B inzwischen beseitigt worden ist. Quer dazu steht die Halle B und dahinter wiederum der Bau D, das heutige Technikum. Links im Schatten Bau F und E, heute Porticum und Ostium der Uferstadt.
Die Feinstanzerei für diffizilere Bauteile.
Kleinteile-, Stanz- und Automatenfertigung.
Siebdruckfertigungsstraße Beschickung.
Siebdruckfertigungsstraße Ausgang
Das Wickeln der filigranen Hochfrequenzspulen übernahm 1975 eine vollautomatische Maschine, die Arbeiterin bediente nur noch Knöpfe und Schalter.
Auch dieses Bild zeigt das vollautomatische Wickeln der Hochfrequenzspulen, rechts im Hintengrund die Steuerungselektronik.
Die Druckplatten wurden dagegen immer noch weitgehend per Hand bestückt, wenn das Band den Takt vorgab.
Das Bohren der Druckplatten war seit den 1970er-Jahren programmgesteuert.
Bei der Kontrolle der Leiterplatten halfen „Fernaugen“ (Videokameras).
Die Auswertung der Messungen in der Tunerfertigung übernahm schon in den 1970er-Jahren der Computer.
Im Prüfkarussell konnten verschiedene automatisierte Kontrollen der Bauteile durchgeführt werden.
Ein Hifi-Kompaktstudio wird in das Gehäuse eingebaut: Zunächst kommt die Abdeckplatte auf den Receiver.
Jetzt ist auch der Plattenspieler eingebaut und das Netzkabel angebracht, abschließend prüft der Arbeiter die Leichtgängigkeit der Regler. Im Bild vermutlich das Studio 2040 Hifi Quadro, das 1973 auf dem Markt kam.
Rechts das Prüffeld für die „Reisesuper“ (Kofferradios), die auf dem linken Band aus der Produktion kommen.
Der Verbindungsgang zwischen der Verwaltung und dem Technologiezentrum prägt noch heute die Fürther Kurgartenstraße. Etwa 2002 entfernte man den Grundig-Schriftzug.
Max Grundig führte sein Unternehmen patriarchalisch, aber zunächst mit sicherem Instinkt. Ab 1970 häuften sich jedoch personelle und sachliche Fehlentscheidungen, die zusammen mit dem schärferen Wettbewerb in den 1970er-Jahren vermehrt zu Problemen führten.
Rückseite der Medaille von 1976. Wenige Jahre später, 1979, erreichte die Belegschaft von Grundig den absoluten Höchststand: Nicht weniger als 38.460 Beschäftigte arbeiteten damals weltweit bei Grundig. Das Auslandsgeschäft machte 53 Prozent des Umsatzes aus.
Fürth, Würzburger Straße Werk 10
Anfang der 1960er-Jahre entstand an der Würzburger Straße das Werk 10. Das Foto wurde Ende der 1970er-Jahre aufgenommen.
In Werk 10 produzierte Grundig vor allem Technik für den professionellen Bedarf. Hier wird gerade ein mechanisches Bauteil - vermutlich die Trommel für den rotierenden Magnetkopf der Videogeräte - geprüft.
Produktion großer Ein Zoll-Videogeräte für den professionellen Einsatz. Das erste Ein-Zoll-Bildbandgerät für Schwarz-Weiß ging schon 1965 in Produktion.
Für die Herstellung der hochwertigen Videogeräte benötigte man mehr hochqualifizierte Fachkräfte als im Bereich der Unterhaltungstechnik. Mittels Mikroskop musste die Qualität der Magnetkopftrommel geprüft werden.
Um 1975 bestückten die Arbeiterinnen die elektronischen Platinen immer noch per Hand. Die Lötkolben waren aber deutlich graziler als noch Anfang der 1950er-Jahre und außerdem schon mit einem Thermostaten versehen. Mitunter musste die Lupe verwendet werden (im Bild oben rechts).
Georgensgmünd Werk 4
Das Holzwerk in Georgensgmünd (Werk 4) aus der Luft Ende der 1970er-Jahre.
Die Holzbearbeitung entsprach 1970 schon eher heutigen Vorstellungen, auch hinsichtlich der Arbeitssicherheit. In den frühen 1950er-Jahren war das noch anders.
Die Holzteile wurden schon um 1970 mit der Programmsteuerungsanlage bearbeitet.
Endmontage der Fernsehergehäuse. Die instruktive Kreideschrift auf dem Regal - „15.1.70 Beck kehrt zusammen“ - erleichtert die Datierung des Bildes.
Musikschränke waren um 1970 nach wie vor gefragt. Das lange Festhalten an veralteten Designs und Produktmustern gilt jedoch als eine Ursache für den Niedergang des Konzerns.
Augsburg, Werk 5
Holzbearbeitungsmaschine im Augsburger Werk 5.
Furnierstraße
Montage der Musikschränke.
Hier wurden die Gehäuse verpackt und für die Auslieferung an die anderen Werke vorbereitet, wo man dann die Elektronik einbaute.
Nürnberg-Langwasser
Die Grundig-Stadt in Nürnberg-Langwasser. 1963 und 1966 waren zunächst das Werk 11 für die Tonband- und Diktiergerätefertigung und das Zentralversandlager entstanden.
1970 folgte die erste Fernseherfertigung. Die Fläche der drei Fabriken umfasste 460.000 Quadratmeter.
Ende der 1970er-Jahre war die Grundig-Stadt in südwestlicher Richtung (links) deutlich erweitert worden, auf insgesamt 600.000 Quadratmeter. Beim Blick nach Nord-West erkennt man im Hintergrund das Stadion des 1. FC Nürnberg (davor eine Kleingartenkolonie) und rechts daneben das ehemalige Aufmarschgelände (Zeppelinfeld) der Nationalsozialisten auf dem Reichsparteitagsgelände.
Nürnberg-Langwasser, Werk 9
Das Kunststoffgranulat stapelt sich säckeweise im Eingangslager von Werk 9, seinerzeit Europas größter Verarbeitungsbetrieb für thermoplastische Kunststoffe.
Beim Formenbau für die Kunststoffspritzerei verlangte die Einzelfertigung viel Handarbeit.
Spritzautoamten in der Kunststoffspritzerei für größere Teile. Insgesamt befanden sich in Werk 9 etwa 160 Kunststoffspritzmaschinen, die täglich 25 Tonnen Granulat verarbeiteten.
Skalendruck mit Drehtellerautomaten. Hier entstanden die Senderskalen für die Rundfunkgeräte.
Die Lackiererei für Kunststoffgehäuse.
Überblick über die Teilebearbeitung, wo die Beschäftigten Kunststoffteile aus den Spritzereien nachbearbeiteten.
Nürnberg-Langwasser, Werk 11
Das Verwaltungs- und Fachbereichsgebäude Werk 11 (später Grundig-Akademie), um 1970. Hier hatte zunächst die Tonband- und Diktiergerätefertigung ihren Platz, ab Ende der 1970er.
Werk 11
Die beiden markanten 16 stöckigen Wohnhäuser der Grundig-Stadt boten Wohnraum für 860 Werksangehörige. Rechts im Hintergrund ist Werk 11 zu erkennen.
Der Innenhof zwischen Fabrik und Verwaltung.
Trotz aller Modernisierungen war in der Transformatorenwickelei und der Mehrfachstanzerei um 1970 immer noch viel Handarbeit gefragt.
Die Stanzerei für Chassisteile.
Werk 11 konnte auf eine eigene Kleinteile-Galvanik zurückgreifen. Man beachte den Hinweis „Gift“ rechts unten.
Die Automatendreherei für Hart- und Weichmetalle.
Die Leiterplatten mussten um 1970 zwar nach wie vor weitgehend per Hand bestückt werden, die Menschen rückten aber im Vergleich zu den 1950er-Jahren immer weiter auseinander: Bänder und Automaten drängten sich dazwischen.
Hier werden die Chassis der Tonbandgeräte montiert.
Auch das Justage-Prüffeld für Tonbandgeräte hatte sich seit den 1950er-Jahren stark verändert.
Die Endkontrolle der Tonbandgeräte mit den entsprechenden Messadaptern. Im Bild ist ein Grundig TK 248 Hifi zu sehen, das ab 1970 gebaut wurde. Die Spulengeräte des ehemals größten Tonbandgeräteherstellers der Welt gingen mit ihrem Alu-Plastik-Design, aber auch mit ihrer technischen Ausstattung in den 1970er Jahren zunehmend am Markt vorbei. Japanische Hersteller lieferten Geräte mit ansprechender Metalloptik, und inzwischen auch in guter Qualität.
Nürnberg-Langwasser, Werk 16
Werk 16 war für die Herstellung von Farbfernsehern bestimmt. Am 29. August 1975 vermeldete Grundig die Auslieferung des 2.222.222. Farbfernsehers. Der erste Farbfernseher T800 kostete 1967 noch 1.865 Mark, und damit nominell genauso viel wie der erste Schwarzweißfernseher im Jahre 1951.
Der 62-jährige Max Grundig (rechts) und Entwicklungsleiter Walter Mayer am 18. September 1970 bei der Einweihung von Werk 16 in Nürnberg-Langwasser - alles schien noch möglich ...
Die Grundig-Stadt hatte einen eigenen Versandbahnhof mit 2,5 Kilometern Gleisanschluss, auf dem täglich etwa 50 Waggons abgefertigt wurden. Die Fotografie zeigt den Wareneingang für Bildröhren und Gehäuse von Werk 16.
Die angelieferten Bildröhren wurden entpackt und mit einem speziellem Senkrechtförderer in die Produktionshallen gebracht.
Arbeiterinnen am Bestückungsband für Leiterplatten, links wird die Oberseite, rechts die Unterseite der Platinen bestückt bzw. verlötet. Die schon in den 1940er-Jahren verwendeten Rollbügel hatten sich bewährt und kamen in modifizierter Form nach wie vor zum Einsatz.
Detailansicht am Bestückungsband für die Farbfernseherchassis: Die elektronischen Bauteile wurden aus einem unterteilten Rad unter dem Tisch und aus den Fächern oberhalb entnommen.
Größere Teile wie das Gehäuse und die Bildröhre gelangten auf Transportwagen zu ihrem Montageplatz, bewegt von einem Führungssystem im Boden.
Am Montageplatz wurde die Bildröhre mit Hilfe eines elektrischen Hebewerks in das Gehäuse gehoben und befestigt.
Chassistransport mit Fördereinrichtung: Die Chassis lagen auf zwei Tabletts, die an einer Förderschiene hingen (links). Von dort konnten sie entnommen und auf dem Arbeitstisch (rechts) weiterbearbeitet werden.
Das Abgleich-Prüffeld. Die linken Arbeitsplätze lagen höher als die rechten, sodass die eine Seite die oberen Chassis auf den Transportwagen in der Mitte prüfen konnte, die andere Seite die unten liegenden.
Das Abgleich-Prüffeld für Chassis aus anderer Blickrichtung. Die Fernsehgeräte gehörten zum Messinstrumentarium, abgeglichen wurden die auf den Tischen liegenden Chassis.
Nach Abgleich und Einbau der Chassis gelangten die Geräte auf dem Montagewagen zur Konvergenzeinstellung und zur Endabnahme.
Letzte Station vor dem Versand war die Dauerprüfstrecke, wo die Farbfernseher einem 24-Stündigen Test unterzogen wurden.
Die geprüften Geräte gelangten rechts von der Montagehalle herunter, wurden verpackt und dann auf der Transportstraße zum Zentralversandlager befördert.
Markenzeichen und Prämien
Zusammenstellung einiger Markenzeichen von Grundig
Prämie 1975: schwierige Lage und außergewöhnliche Probleme
Prämie 1979: obwohl das Ergebnis des Geschäftsjahres 1978/79 kaum zu befriedigen vermag“. Und weiter: „Die gegenwärtige Entwicklung läßt mich zögern für das laufende Wirtschaftsjahr die Möglichkeit einer Prämienzahlung zu sehen.“
Prämie 1980. Grundig überlässt die frohe Botschaft anderen: „Die zur Zeit ungenügende Nachfrage nach den Produkten unserer Industrie hat eine geradezu ruinösen Wettbewerb ausgelöst und auch die Ertragslage unseres Unternehmens in einer Weise beeinträchtigt, daß eine Prämienzahlung eigentlich nicht gerechtfertigt wäre.“
Keine Prämie 1981 und danach: „Zu unserem Bedauern mußten wir eine erhebliche Zahl von Mitarbeitern entlassen. Von diesen würde es sicher nicht verstanden werden, wenn wir in dieser Lage eine Jahresprämie zur Auszahlung bringen würden.“
8. Grundig und das Wirtschaftswunder - Epilog
Die Hallen der ehemaligen Grundig-Stadt stehen teilweise leer. An dem 1970 mit großem Stolz eingeweihten Werk 16 künden Schatten der Werksaufschrift von vergangenen großen Zeiten - die Pforte ist unbesetzt, der noble Eingangsbereich aus Naturstein zerfällt. 1984 gab Grundig die unternehmerische Führung an den Elektronikhersteller Philips ab, der sich jedoch 1997/98 wieder zurückzog. Im Juni 2000 verlegte die Grundig AG ihre Konzemzentrale nach Nürnberg-Langwasser und im Oktober 2001 verkaufte sie das alte Grundig-Areal (Werk 1) an der Kurgartenstraße.
Schließlich musste die Grundig AG im April 2003 Insolvenz anmelden, in der Folge wurden mehrere Geschäftsbereiche ausgegliedert oder aufgekauft. Am 1. Mai 2004 nahmdie Grundig Intermedia GmbH mit den klassischen Sparten der Unterhaltungselektronik ihren Geschäftsbetrieb auf. Sitz des Unternehmens ist die ehemalige GrundigStadt in Nümberg-Langwasser, Eigentümerin ist seit 18. Dezember 2007 die türkische Koc-Gruppe.
Delphi und der Grundig-Geschäftsbereich „Car InterMedia System“ schlossen sich im November 2003 zu Delphi Grundig zusammen. Im Hintergrund des 2008 aufgenommenen Fotos sind die beiden Wohntürme der ehemaligen Grundig-Stadt zu erkennen.
In der ehemaligen Konzernzentrale befindet sich heute (2022) das Rundfunkmuseum. Dort wird die Geschichte des Rundfunks lebendig dargestellt und vermittelt - auch die Zeit des Wirtschaftswunders von Max Grundig.
Seit 2005 ist Fürth Universitätsstadt. Das Zentralinstitut für Neue Materialien und Prozesstechnik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg siedelte sich im Technikum an der Kurgantenstraße an, dem ehemaligen Bau D des Werkes 1 von 1957. Diesem Technikum, und damit letzten Endes auch Max Grundig, verdankt Fürth seinen Titel: den der Wissenschaftsstadt“.